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Föschber Gibbon schreibt Medizingeschichte

Föschber Gibbon schreibt Medizingeschichte

Experiment „Blindi“ aus dem Tierpark wurde in Hannover als erster seiner Art am Grauen Star operiert – Ein neues Leben in Holland

Niederfischbach/Hannover. Welt-weit zum ersten Mal ist es Fachärzten an der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) gelungen, einen Gibbon an den Augen zu operieren, ihm künstliche Linsen einzusetzen und ihn so vom Grauen Star zu befreien. Der männliche Weißhandgibbon stammt aus dem Tierpark Niederfischbach. Hier nahm man die Nachricht, dass „Blindi“, wie ihn die Tierpfleger liebevoll nannten, nun sehen kann, mit Freude und Rührung auf. Immerhin ließ die Sehkraft des fünfjährigen Affen seit seinem ersten Lebensjahr immer mehr nach. Jetzt entdeckt er die Welt neu – und zwar in einem artgerechten Freigehege in einem holländischen Tierpark.

Doch ganz von vorne: Als der Tierpark Niederfischbach Anfang 2012 seine Ausrichtung änderte – von einem Mischmasch an Tieren hin zu einem Park für Tiere unserer Breiten – da sollten nach den Pumas auch die Gibbons weg. Doch während die Pumas schnell ein neues Zuhause in einem weitläufigen Gehege in Frankreich fanden – und dadurch der Luchs im Föschber Park doppelt so viel Platz bekam – sind Gibbons viel schwerer zu vermitteln. Nach vier Jahren hatten Birgit Hausherr und Peter Merzhäuser, die bisherige Vorstandsspitze, aber endlich Erfolg: Im holländischen Mondo-Verde-Park nahe Aachen wartete inmitten eines Teiches eine ganze Halbinsel mit Bäumen, viel Auslauf und ohne Gitter auf die drei Gibbon-Jungs aus dem Kesselbachtal.

Zuvor allerdings mussten sie, europäischen Richtlinien folgend, vier Wochen lang in eine Quarantänestation im niedersächsischen Sachsenhagen im Landkreis Schaumburg. Durch Zufall erfuhr Merzhäuser dann, dass ein Tieraugenspezialist regelmäßig im nahen Hannover an der Tierärztlichen Hochschule zu Gast ist. Kurz: Man brachte „Blindi“ zur Untersuchung hin, und dort sah man gute Aussichten für den Erfolg einer OP. „Auf diese Information hatten wir lange gewartet“, erzählt Merzhäuser. „Wir stimmten der OP zu.“

Grauer_Star_Gibbon
Der Eingriff verlief wie am Schnürchen. Danach saß der Affe drei Tage lang mit gesenkten Lidern in einer Käfigecke – anstatt sich, wie man befürchtet hatte, die Augen zu reiben. „Die neuen Linsen scheinen ihn nicht zu stören“, sagt Merzhäuser. „Und als er zum ersten Mal die Augen aufmachte, fing er nach und nach an, seine Umgebung zu erkunden. Er sieht jetzt Dinge, die ein Pfleger in der Hand hat, und guckt sich alles genau an, sogar den Feuerlöscher an der Wand.“ Das hat Merzhäuser auch dem Berliner Tierarzt Sebastian Fritz erzählt, der früher in der Betzdorfer Tierklinik Köhler arbeitete. Der hatte den Gibbon in den ersten Lebensjahren betreut, aber keinen Weg gesehen, etwas gegen den Grauen Star zu tun. „Sebastian“, so Merzhäuser, „war total gerührt. Wie wir alle…“

Die Linsentrübung war bei dem Niederfischbacher Gibbon wohl angeboren und „sehr weit fortgeschritten“, erklärt Professor Dr. Michael Fehr, Direktor der Klinik für Kleintiere in Hannover, wo die OP durchgeführt wurde: „Wir gehen davon aus, dass der Affe kaum noch etwas sehen konnte. Dieser Katarakt ist bei Affen sehr selten. Beim Menschen ist er als Grauer Star bekannt. Linsentrübungen sind bei Menschen und bei Hunden sehr häufig.“ In der Klinik gehört das Einsetzen neuer Linsen zu den Standard-OPs – nicht aber bei Affen. Mehrere Stunden lang entfernte ein Ärzteteam die in beiden Augen veränderten Linsen und ersetzte sie durch künstliche. „Blindi“ wurde danach zurück nach Sachsenhagen gebracht. Bereits am nächsten Tag nahm er Futter und Medikamente auf. Stationsleiter Dr. Florian Brandes: „Er wird immer munterer, hält die Augen offen und bewegt sich so schnell durchs Gehege, wie wir es vor der Operation nie beobachten konnten.“

Schon in den nächsten Tagen wird „Blindi“ mit seinem Vater und seinem Bruder im Freigehege in Holland herumklettern und, mit etwas Glück, noch bis zu 25 Jahre lang eine neue bunte Welt erleben. Jetzt braucht der Föschber Gibbon also erst mal einen neuen Namen.

Autor/Quelle: Peter Seel  –  RZ Kreis Altenkirchen vom Dienstag, 2. August 2016, Seite 21

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